Bundesregierung legt Gesetzentwurf zur Erbschaftsteuerreform vor

Bundesregierung legt Gesetzentwurf zur Erbschaftsteuerreform vor

1. Hintergrund

Am 17.12.2014 hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil (1 BvL 21/12) entschieden, dass das im Grundsatz auf das Erbschaftsteuerreformgesetz vom 24.12.2008 zurückgehende jetzige Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) in wichtigen Punkten verfassungswidrig ist. Wesentliche vom Bundesverfassungsgericht beanstandete Regelungen sind insbesondere diejenigen zur Abgrenzung des begünstigten vom nichtbegünstigten Vermögen und die weitreichenden Steuerbefreiungen beim Erwerb großer Betriebsvermögen. Für eine gesetzliche Neuregelung hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 30.06.2016 eingeräumt.

Unmittelbar nach dem Urteil hat die Bundesregierung angekündigt, möglichst zügig die notwendigen Gesetzesänderungen vornehmen zu wollen und dabei die bestehenden Strukturen nur in dem vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Umfang anzupassen. Nach Vorlage eines sogenannten „Eckwertepapiers“ des Bundesfinanzministeriums im Februar 2015 ist am 01.06.2015 ein Referentenentwurf vorgestellt worden. Das Bundeskabinett hat sich danach recht schnell auf einen Regierungsentwurf geeinigt, dessen Verabschiedung am 08.07.2015 erfolgt ist. Auch wenn derzeit nicht vorhersehbar ist, wie schnell das Gesetzgebungsverfahren voranschreitet, spricht einiges dafür, dass die neuen Regelungen voraussichtlich zum 01.01.2016 in Kraft treten können.

2. Abgrenzung des begünstigten Vermögens

Gegenwärtig kann Betriebsvermögen selbst dann weitgehend steuerfrei übertragen werden, wenn sich darin sogenanntes Verwaltungsvermögen (z.B. Wertpapiere, Zahlungsmittel, Beteiligungen an Kapitalgesellschaften, die geringer als 25 % sind) mit einem Anteil von bis zu 50 % befindet. Diese Regelung hat das Bundesverfassungsgericht als unverhältnismäßig angesehen. Daher soll zukünftig nur noch das neu definierte sogenannte begünstigte Vermögen erbschaftsteuerlich verschont werden.

Dabei soll es sich um solches Vermögen handeln, das überwiegend – seinem Hauptzweck nach – einer gewerblichen, freiberuflichen oder land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit dient. Die Abgrenzung des begünstigten Vermögens soll sich grundsätzlich nach ertragsteuerlichen Gesichtspunkten richten. Nach Aussage des Regierungsentwurfs reicht es hierbei nicht aus, dass Wirtschaftsgüter im Einzelfall für den jeweiligen Betrieb nützlich oder notwendig sind. Entscheidend soll vielmehr sein, ob diese von ihrer Funktion her unmittelbar zur Ausübung der betrieblichen Tätigkeiten genutzt werden. Um diese abstrakte Vorgabe greifbar zu machen, enthält der Regierungsentwurf ein Fallbeispiel, das auf zwei Seiten zahlreiche Einzelheiten abhandelt. Allerdings zeigt sich bei Durchsicht dieses Beispiels, dass etwa die Frage, ob Beteiligungen in diesem Sinne unmittelbar der Ausübung der betrieblichen Tätigkeit dienen, im Einzelfall zu kontroversen Diskussionen führen kann. Insbesondere bei zukünftigen Schenkungen ist daher im Vorfeld eine genaue Inventarisierung der übergehenden Wirtschaftsgüter zu empfehlen, um eine grundsätzlich mögliche Steuerverschonung auch tatsächlich nutzen zu können.

Bei einem mehrstufigen Unternehmensaufbau soll das begünstigte Vermögen mit Hilfe einer konsolidierten Betrachtung ermittelt werden, was im Einzelfall sehr aufwendig ausfallen kann. Genaue Vorgaben, wie diese konsolidierte Betrachtung erstellt werden soll, enthält der Regierungsentwurf nicht. Insofern müssen sich Unternehmenseigner bzw. –erben auf erhebliche Zusatzkosten für die Ermittlung bereits des erbschaftsteuerlich relevanten Sachverhalts einstellen. Gegenwärtig wird jedes rechtlich selbständige Unternehmen für sich betrachtet, was das Bundesverfassungsgericht aber beanstandet hat.

3. Verschonungsregeln

Das bisherige Verfahren einer Regelverschonung von 85 % bzw. einer Optionsverschonung von 100 % der Erbschaftsteuer in Abhängigkeit von der Erfüllung von Haltefristen und dem Bestehen einer Lohnsummenprüfung greift erst bei Betrieben mit mehr als 20 Mitarbeitern. Dies hat das Bundesverfassungsgericht verworfen, da ca. 80 % aller Unternehmen diese Schwelle nicht überschreiten und damit für sie die Lohnsummenprüfung entfällt. Ebenso hat es beanstandet, dass nach gegenwärtiger Rechtslage auch Erwerber großer Betriebsvermögen ohne detaillierte Bedürfnisprüfung in den Genuss von Steuerbefreiungen gekommen sind.

Insofern hat sich für den Gesetzgeber in diesem Punkt ein erheblicher Handlungsbedarf ergeben, der seinen Niederschlag in unübersichtlichen Detailregelungen der neugeplanten §§ 13a bis c und 28a Erbschaftsteuergesetzentwurf gefunden hat. Als wesentlicher Faktor ist zukünftig der Wert des übertragenen begünstigten Vermögens anzusehen. Liegt dieser Wert unter einer Freigrenze von 26 Mio. € (52 Mio. € bei für Familienunternehmen typischen gesellschaftsvertraglichen oder satzungsmäßigen Beschränkungen etwa im Hinblick auf Entnahmen oder Abfindungen, die über einen Zeitraum von 40 Jahren [10 Jahre vor bis 30 Jahre nach Entstehung der Steuer] gegeben sein müssen), wird danach unterschieden, ob das jeweilige Unternehmen bis zu 15 Mitarbeiter hat oder die Zahl der Mitarbeiter darüber liegt. Unternehmen mit mehr als 15 Mitarbeitern unterliegen einer Regelverschonung (85 % Abschlag), die an eine Haltefrist von 5 Jahren und eine Lohnsumme von 400 %, die innerhalb von 5 Jahren erreicht werden muss, anknüpfen. Bei der Optionsverschonung (100 % Abschlag) beträgt die Haltefrist 7 Jahre und die Lohnsumme 700 %.

Komplizierte Unterscheidungen gelten für kleinere Unternehmen, wo nur die Gruppe mit bis zu 3 Mitarbeitern keiner Lohnsummenprüfung unterliegt. Für diese Unternehmen sind nur die Haltefristen für die Regelverschonung (5 Jahre) bzw. die Optionsverschonung (7 Jahre) zu beachten. Höhere Anforderungen gelten für Unternehmen mit 4 bis 10 Mitarbeitern (Regelverschonung: 5 Jahre Haltefrist, 250 % Lohnsumme; Optionsverschonung; 7 Jahre Haltefrist, 500 % Lohnsumme), weitere Verschärfungen für die Gruppe mit 11 bis 15 Mitarbeitern (Regelverschonung; 5 Jahre Haltefrist, 300 % Lohnsumme; Optionsverschonung; 7 Jahre Haltefrist, 565 % Lohnsumme).

Noch komplexer sind die Regelungen für den Fall einer Vermögensübertragung von mehr als 26 / 52 Mio. € auf den einzelnen Erben bzw. Beschenkten.

Neben den eben beschriebenen Differenzierungen bezüglich Haltefrist und Lohnsumme besteht dann das Wahlrecht, eine individuelle Verschonungsbedarfsprüfung vorzunehmen oder sich für das Verschonungsabschlagsmodell (Regel- bzw. Optionsverschonung) zu entscheiden. Bei der Bedarfsprüfung muss der Erwerber nachweisen, dass er persönlich nicht in der Lage ist, die Steuerschuld aus der Summe von 50 % seines bereits vorhandenen sowie 50 % des übergegangenen nichtbegünstigen Vermögens zu begleichen. Ist dies der Fall, kommt es zum Erlass der Steuer. Beim Abschlagsmodell reduziert sich der Verschonungsabschlag schrittweise von 85 % auf 20 % (ab Erwerben, die über 116 bzw. 142 Mio. € liegen). Im Fall der Optionsverschonung gehen die Werte von 100 % auf 35 % zurück. Hierbei gelten die gleichen Wertgrenzen von 116 bzw. 142 Mio. €. Damit soll die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts umgesetzte werden, dass zukünftig keine Betriebe mit Unternehmenswerten von mehreren Hundert Mio. € aufwärts steuerfrei übertragen werden können.

4. Schlussfolgerungen

Auch wenn der Regierungsentwurf im Gesetzgebungsverfahren sicher noch Veränderungen erleben wird, liegt der Schluss nahe, dass bei zukünftigen Erbfällen bzw. Schenkungen mit einer deutlichen Verschärfung des steuerlichen Zugriffes in Prüfung und Veranlagung gerechnet werden muss. Wer Übertragungen im unternehmerischen Bereich vor Augen hat, sollte die Gelegenheit nutzen, noch unter der Geltung des gegenwärtigen Erbschaftsteuergesetzes zu handeln und in den nächsten Monaten vor dem Jahreswechsel etwa eine entsprechende Schenkung zu vollziehen. Das gilt insbesondere für Familienunternehmen, die nach dem Regierungsentwurf eine 40jährige „steuerliche Änderungssperre“ in ihrem Gesellschaftsvertrag aufweisen (und diese auch leben) müssen, um künftig von den verschärften Verschonungsregeln Gebrauch machen zu können.

Die neuen Regeln sollen für alle Fälle greifen, in denen der Erwerbszeitpunkt nach der Gesetzesverabschiedung liegt, möglicherweise also ab 01.01.2016. Damit sieht der Regierungsentwurf keine Rückwirkung vor, die das Bundesverfassungsgerichtsurteil grundsätzlich ermöglicht hätte. Aber es ist schon jetzt erkennbar, dass die komplexen Wahlrechte und schwierigen Detailabgrenzungen erhebliche Steuerbelastungsrisiken in sich tragen, die bei zeitnahem Handeln vermieden werden können.

Wir beraten Sie gerne bei der Gestaltung entsprechender Vorhaben.

Executive Summary

After the Federal Constitutional Court stated on 17 December 2014 that vital parts of the Inheritance Tax Act were unconstitutional, a draft law has been with the Federal Government since 8 July 2015, which is intended to dispose of the complaints. Thus, the provisions of the delimitation of the beneficiary’s assets will be tighten up considerably because, in the future, evidence will have to be provided for the fact that each asset of a company is, with regard to its function, used for the direct exercise of operational activities. In addition, the provisions concerning the fiscal exemption of the business property will be tightened up in a way that, in the future, companies with more than three employees will be subject to a complicated total wage bill evaluation (companies with less than 20 employees have been exempt so far). It is already perceptible that complicated options and delimitations will require professional advice.

SVO / JHB – Frankfurt, den 15.09.2015