Bundesverfassungsgericht überprüft Grundsteuer
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom 22. Oktober 2014 (Az.: II R 16/13), der am 03. Dezember 2014 veröffentlicht worden ist, dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit vorgelegt. Die Einheitswerte sind eine wesentliche Grundlage für die Ermittlung der Grundsteuer, die von den Gemeinden erhoben wird und diesen 2014 ca. 13 Milliarden Euro eingebracht hat. Außerdem sind sie für die Kürzungsvorschrift in § 9 Nr. 1 Gewerbesteuergesetz von Bedeutung.
In dem Verfahren, dass dem BFH-Beschluss zugrunde liegt, hatte der Kläger 2008 eine Teileigentumseinheit (Ladenlokal) im Westen von Berlin erworben. Das Finanzamt setzte ihm gegenüber einen Einheitswert des Grundvermögens zum 01. Januar 2009 in Höhe von EUR 21.576 fest, der unverändert aus dem vorhergegangenen Einheitswertbescheid auf den 01. Januar 1994 übernommen wurde. Einspruch und Klage gegen den Bescheid blieben erfolglos. Vor dem BFH rügte der Kläger, dass die Einheitsbewertung zum 01. Januar 2009 aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht mehr zu rechtfertigen sei, da sie gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Artikel 3 Abs. 1 GG) verstoße. Der II. Senat des BFH teilt die Auffassung des Klägers und hat deswegen den Fall dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt.
Der BFH sieht den allgemeinen Gleichheitssatz insbesondere dadurch verletzt, dass die Grundsätze der Realitätsgerechtigkeit und Folgerichtigkeit bei der Einheitsbewertung nicht mehr erfüllt seien. Er führt das vor allem darauf zurück, dass die Einheitswerte auf die Wertverhältnisse der Stichtage 01. Januar 1964 (alte Bundesländer) bzw. 01. Januar 1935 (neue Bundesländer) zurückgehen, ohne dass es seitdem zu entwicklungsbegleitenden Fortschreibungen gekommen ist.
Zwar sei, so der BFH in seinem Beschluss, im steuerlichen Massenverfahren ein gewisses Maß an Typisierungen und damit verbundenen Ungleichbehandlungen akzeptabel. Eine Typisierung, die nicht mehr realitätsgerecht an einen „Normalfall“ anknüpfe, verletze aber die verfassungsrechtlichen Prüfmaßstäbe. Der Verzicht auf weitere Hauptfeststellungen nach 1964 habe dazu geführt, dass wesentliche Faktoren zur sachgemäßen Einheitsbewertung wie zum Beispiel die städtebauliche Entwicklung, Veränderungen im Immobilienmarkt oder auch wertbildende technische Faktoren wie Energieeffizienz oder Lärmschutz gar nicht oder nur unzureichend erfasst würden.
Durch den Vorlagebeschluss des BFH wird der Erlass von Einheitswert- bzw. Grundsteuerbescheiden nicht aufgehalten. Daraus resultierende Steuerzahlungen sind weiterhin zu leisten. Der BFH hat aber geäußert, dass aus seiner Sicht entsprechende Bescheide mit einem Vorläufigkeitsvermerk versehen werden sollten. Das macht es möglich, nach einem abschließenden Urteil des BVerfG etwaige notwendige Änderungen in die entsprechenden Steuerbescheide einzuarbeiten, ohne dass in jedem Einzelfall Rechtsbehelfs – oder Klageverfahren notwendig werden. Allerdings sollte jeder Betroffene sorgfältig prüfen, ob bei ihm eingehende Einheitswert- oder Grundsteuerbescheide auch tatsächlich einen Vorläufigkeitsvermerk aufweisen. Für ein persönliches Gespräch stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Executive Summary
By its judgement of 22 October 2014 II R 16/13, the Federal Tax Court submitted the provisions on the standardised evaluation of the real estate to be controlled by the Federal Constitutional Court for its constitutionality. From the Federal Tax Court’s point of view, the system of standard values, which dates considerably from the effective dates of 01 January 1964 (West Germany) and 01 January 1935 (East Germany), violates the principles of reality equity and logical consistency. The judgement of the Federal Tax Court does not result in the standard value assessment or the real estate tax assessment becoming unlawful and in corresponding tax assessment being unrealisable. Those affected, however, should evaluate if these assessments are correspondingly labelled as preliminary thus allowing changes to be made in the future.
Frankfurt, den 23.12.2014 – SVO / JHB