Bundesregierung plant Erleichterungen beim steuerlichen Verlustabzug
1. Gegenwärtige Rahmenbedingungen
Der steuerliche Verlustabzug ist wegen zahlreicher restriktiver Einzelregelungen für viele Betroffene seit Langem ein großes Ärgernis. Das gilt insbesondere für die Regelungen bei der Körperschaftsteuer, die auch im Rahmen der Gewerbesteuer zu beachten sind.
Insbesondere der seit 01.01.2008 geltende § 8c KStG (Wechsel eines Anteilseigners) bewirkt in vielen Fällen den Untergang festgestellter Verlustvorträge. § 10a GewStG übernimmt diese Regelung für die Gewerbesteuer. § 8c KStG legt fest, dass, wenn innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 50 % der Anteile an einer Körperschaft an einen Erwerber oder diesem nahe stehenden Personen übertragen werden, es zum vollständigen Untergang der bei der Körperschaft vorhandenen Verlustvorträge kommt. Bei Anteilseignerwechseln über 25 % bis zu maximal 50 % kommt es zum anteiligen Untergang der Verlustvorträge.
Vor allem Start-Up- oder Venture-Capital-Gesellschaften, aber auch Unternehmen, die sich in einer Krise befinden, sind von diesen Vorschriften stark negativ betroffen. Nun plant die Bundesregierung bis zum Jahresende 2016, die parlamentarischen Verabschiedung eines neuen § 8d KStG zu erreichen, dessen Regelungen auf Antrag des Steuerpflichtigen dann ab 01.01.2016 an die Stelle von § 8c KStG treten können. Die im Regierungsentwurf genannten erwarteten Steuerausfälle i. H. v. 600 Mio. EUR jährlich zeigen, dass insbesondere für die genannten Unternehmen eine Hilfestellung geschaffen werden soll. Im Folgenden sollen die wesentlichen Aspekte der geplanten neuen Vorschrift beschrieben werden.
2. Darstellung der Neuregelung
a) Wie erfolgt die Antragstellung?
Der Antrag auf Anwendung von § 8d KStG ist nur möglich, wenn ein Ereignis i. S. v. § 8c KStG stattgefunden hat. Es müssen also (vereinfacht dargestellt) innerhalb von fünf Jahren mindestens 25 % der Anteile einer Körperschaft auf einen Erwerber oder diesem nahestehenden Personen übertragen worden sein.
Sofern der Steuerpflichtige die Anforderungen von § 8d KStG erfüllt (zu diesen gleich mehr), kann er den notwendigen Antrag (der für die Körperschaft- und Gewerbesteuer einheitlich gestellt werden muss) im Zusammenhang mit der Steuererklärung des Jahres einreichen, in dem die schädliche Anteilsübertragung stattgefunden hat.
b) Welche Anforderungen gelten für die Antragsteller?
Die Antragstellung setzt voraus, dass sowohl vergangenheits- als auch zukunftsbezogene Anforderungen erfüllt werden. Mit Blick auf die Vergangenheit sind zwei kumulativ zu erfüllende Voraussetzungen zu beachten. Erstens darf der bestehende Geschäftsbetrieb der Körperschaft in den drei Jahren vor einer schädlichen Anteilsübertragung nicht verändert worden sein. Bei Neugründungen gilt dieses Erfordernis seit ihrer Gründung. Zweitens darf in diesem Zeitraum keines der in § 8d Abs. 2 KStG genannten Ereignisse eintreten. Solche Ereignisse sind insbesondere die Aufnahme eines zusätzlichen Geschäftsbetriebes, die Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft, die Funktion eines Organträgers in einer steuerlichen Organschaft oder die Übertragung von Wirtschaftsgütern mit einem Wertansatz unterhalb des gemeinen Wertes auf die Körperschaft.
Zukunftbezogen muss die Körperschaft die in § 8d Abs. 2 KStG genannten Bedingungen zumindest so lange erfüllen, bis der bei ihr vorhandene Verlustvortrag vollständig abgebaut ist. Kommt es vorher zu einem der Ereignisse des § 8d Abs. 2 KStG, geht grundsätzlich der noch vorhandene Verlustvortrag vollständig unter.
c) Begriff des Geschäftsbetriebes
Im Mittelpunkt von § 8d KStG steht also die Fortführung eines weitgehend unveränderten Geschäftsbetriebes durch die Körperschaft. Der Regierungsentwurf definiert in § 8d Abs. 1 KStG diesen Begriff als die von einer einheitlichen Gewinnerzielungsabsicht getragenen, nachhaltigen, sich gegenseitig ergänzenden und fördernden Betätigungen der Körperschaft in Abhängigkeit von qualitativen Merkmalen. Als solche qualitativen Merkmale nennt der Regierungsentwurf u. a. die angebotenen Dienstleistungen oder Produkte, der Kunden- und Lieferantenkreis, die bedienten Märkte oder die Qualifikation der Arbeitnehmer. Es ist zu erwarten, dass die praktische Auslegung dieser Definition zu erheblichen Diskussionen zwischen den Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung führen dürfte.
3. Hinweise zur Wahlrechtsausübung
Die folgenden Hinweise beziehen sich auf den vorliegenden Regierungsentwurf. Es ist nicht auszuschließen, dass § 8d KStG im weiteren Gesetzgebungsverfahren noch in einigen Punkten geändert wird.
Stark vereinfacht lässt sich gegenwärtig festhalten, dass bei einer Anteilsübertragung von über 50 % der Kapitalanteile der Antrag auf Anwendung von § 8d KStG grundsätzlich gestellt werden sollte. Ohne diesen Antrag bliebe es sonst bei der Anwendung von § 8c KStG, der in einem solchen Fall den vollständigen Untergang der Verlustvorträge vorschreibt.
Macht die Anteilsübertragung zwischen 25 % und 50 % aus, ist die Antragstellung tendenziell dann zu empfehlen, wenn eine zeitnahe Verlustverrechnung zu erwarten ist und der baldige Eintritt eines schädlichen Ereignisses (wie oben unter 2. b) beschrieben) unwahrscheinlich ist.
4. Zusammenfassung
Mit der geplanten Einführung von § 8d KStG versucht die Bundesregierung, die allgemein als negativ wahrgenommenen Regelungen zur steuerlichen Verlustnutzung punktuell zu verbessern. Diese Absicht ist zu begrüßen. Allerdings zeigt die Darstellung der neuen Bestimmung, dass die betroffenen Steuerpflichtigen ihre individuelle Situation sorgfältig prüfen müssen, ehe sie einen Antrag auf Anwendung von § 8d KStG stellen. Auch bleibt abzuwarten, wie die Vorschrift am Ende des Gesetzgebungsverfahrens genau aussieht. Wir werden Sie hierüber weiter informieren.
Executive Summary
The present provisions concerning the loss deduction of corporations, especially section 8c KStG (Corporate Income Tax Act), have been criticised for a long time. It is particularly criticised that the financing of young start-ups or venture-capital companies or the recapitalisation of crisis-ridden companies is being fiscally aggravated. Thus, the Federal Government plans to establish section 8d KStG which allows to retain/receive an existing allowance for loss, especially in case of a transfer of shares of more than 50 % if the operational business inducing the loss is being continued. This continuation has to be carried out at least until the allowance for loss is completely decreased.
Frankfurt am Main, den 22.11.2016 – SVO / JHB