Erbschaftsteuerreform endgültig verabschiedet
1. Abstimmungen im Bundestag und im Bundesrat
Nachdem Ende Juni 2016 der Bundestag den Gesetzentwurf zur Erbschaftsteuerreform verabschiedete, stieß dieser Anfang Juli 2016 im Bundesrat auf Ablehnung. Daher rief der Bundesrat zunächst den Vermittlungsausschuss an. Der Vermittlungsausschuss hat im September 2016 mehrmals getagt und dabei einen Kompromissvorschlag ausgearbeitet.
Der Bundestag hat diesem Vorschlag am 29.09.2016 zugestimmt. Der Bundesrat am 14.10.2016. Nach einer langen Phase der Unsicherheit sollen die neuen gesetzlichen Regelungen Klarheit schaffen. Sie sind grundsätzlich für alle Erwerbe nach dem 30.06.2016 anwendbar.
2. Wesentliche Änderungen durch den Vermittlungsausschuss
Betrachtet man die neue Erbschaftsteuerreform, so zeigt sich, dass trotz zahlreicher, in der Öffentlichkeit ausgetragener Kontroversen über die notwendigen Gesetzesänderungen die Grundstruktur des ursprünglichen Regierungsentwurfs vom 08.07.2015 zum großen Teil übernommen worden ist (vgl. hierzu den Artikel vom 15.09.2015 „Bundesregierung legt Gesetzentwurf zur Erbschaftsteuerreform vor“). Die wichtigsten auf den Vermittlungsausschuss zurückgehenden Änderungen sollen nachstehend kurz beschrieben werden.
a) Unternehmensbewertung
Bei der Übertragung von Unternehmen hatte der Gesetzgeber seit 01.01.2009 die Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens zugelassen. Dabei wird der nachhaltige Jahresertrag des Unternehmens mit einem Kapitalisierungsfaktor multipliziert, wodurch sich der gesuchte Verkehrswert des Unternehmens ergibt. Die seit einigen Jahren anhaltende Niedrigzinsphase hat dazu geführt, dass auf diese Weise Werte ermittelt worden sind, die bei einem tatsächlichen Verkauf an einen fremden Dritten in der Praxis nicht realisierbar gewesen wären; so hat der Multiplikator für 2015 18,215 betragen, für 2016 liegt er bei 17,857.
Als Ergebnis des Gesetzgebungsverfahrens ist jetzt ein konstanter Multiplikator von 13,75 festgeschrieben worden, den das Bundesfinanzministerium aber bei Änderungen der Zinsstruktur (die gegenwärtig nicht absehbar sind) anpassen kann. Dieser Faktor ist bereits für alle Erwerbe ab 01.01.2016 anzuwenden.
Selbst dieser Multiplikator dürfte in vielen Fällen zu überhöhten Unternehmenswerten führen. Den Betroffenen ist anzuraten, anstelle einer Bewertung nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren ein professionelles Bewertungsgutachten in Auftrag zu geben. Nur so ist gewährleistet, dass die Besonderheiten des Einzelfalles bei der Wertermittlung angemessen berücksichtigt werden.
b) Vorab-Wertabschlag bei Familienunternehmen
Um die wichtige wirtschaftliche Rolle von Familiengesellschaften (seien es Personen- oder Kapitalgesellschaften) in der deutschen Volkswirtschaft zu sichern, ist ein neuer Wertabschlag von bis zu 30 % eingeführt worden, der vorrangig vor den weiteren (nahezu unveränderten) Verschonungsregeln für Betriebsvermögen genutzt werden kann. Die Bedingungen für die Inanspruchnahme dieses neuen Wertabschlages sind allerdings sehr restriktiv, so dass erst die weitere Entwicklung zeigen wird, ob diese Regelung tatsächlich in einer größeren Zahl von Fällen zur Anwendung kommen wird.
Die neue Begünstigung setzt voraus, dass Entnahmen oder Ausschüttungen höchstens 37,5 % des steuerlichen Gewinnes betragen dürfen. Ferner darf die Familiengesellschaft nur auf Mitgesellschafter, Angehörige oder eine Familienstiftung übertragen werden. Außerdem muss bei dem Ausscheiden aus der Gesellschaft die Abfindung des Betroffenen unter dem gemeinen Wert der Beteiligung oder des Anteils liegen. Ist z. B. eine Abfindung vereinbart, die den gemeinen Wert um 20 % unterschreitet, wird ein Wertabschlag von 20 % gewährt. Liegt die Abfindung 30 % unter dem gemeinen Wert (oder sogar noch niedriger), wird der maximale Abschlag von 30 % gewährt. Die entsprechenden gesellschaftsvertraglichen Regelungen müssen bereits zwei Jahre vor und zwanzig Jahre nach dem Erbfall bzw. der Schenkung bestehen. Wird innerhalb des nachlaufenden Zeitraums von zwanzig Jahren gegen diese Voraussetzungen verstoßen, entfällt rückwirkend der Wertabschlag und es kommt zu einer Neuberechnung der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer.
c) Stundung der Erbschaftsteuer
Insbesondere bei einem Erwerb von Todes wegen, der Betriebsvermögen umfasst, ist es bislang auf entsprechenden Antrag hin möglich gewesen, dass die darauf entfallende Erbschaftsteuer für 10 Jahre zinslos gestundet wird. Auf das Drängen des Bundesrates hin ist eine zinslose Stundung zukünftig nur noch für ein Jahr möglich. Die Stundung darf höchstens für sieben Jahre gewährt werden und muss nach dem ersten Jahr mit 6 % jährlich verzinst werden. Damit ergibt sich eine gegenüber dem jetzigen Zustand deutliche Verschlechterung für die Erben. Allerdings kann die Verzinsung im Wege einer Billigkeitsmaßnahme (z. B. im Falle längerer Erwerbslosigkeit oder bei schwerer Krankheit) gemäß § 234 AO erlassen werden.
3. Fazit
Es ist zu begrüßen, dass es im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat doch noch zu einem Kompromiss über die Erbschaftsteuerreform gekommen ist. Allerdings ist der Preis für diesen Kompromiss aus Sicht der betroffenen Steuerpflichtigen recht hoch ausgefallen, zumal bereits jetzt zahlreiche Zweifel bestehen, ob das neue Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz verfassungsrechtlich „hält“. Die zahlreichen komplizierten Detailregelungen sind für die Steuerpflichtigen nur schwer zu überblicken und erfordern sachkundigen Rat. Wir unterstützen Sie gerne bei Ihren erbschaft- oder schenkungsteuerlichen Fragestellungen.
Executive Summary
After several meetings, the mediation committee had set up a draft in September 2016 concerning the Inheritance Tax Reform, which both the Federal Parliament and the Federal Council approved of on 29 September 2016 respectively on 14 October 2016. It should be pointed out that, in the future, a constant factor of 13.75 will be applied as of 1 January 2016 for the company valuation instead of an annually calculated multiplier. On strict conditions and in order to protect family businesses, a value deduction of up to 30 % is applicable. Professional advice is recommended for each individual case.
Frankfurt am Main, den 01.11.2016 – SVO / JHB