Juristische Personen des Öffentlichen Rechts – Systemwechsel bei der Umsatzbesteuerung schafft Handlungsbedarf

Juristische Personen des Öffentlichen Rechts – Systemwechsel bei der Umsatzbesteuerung schafft Handlungsbedarf

1. Gesetzliche Neuregelung der Umsatzbesteuerung

a) Allgemeines

Mit dem Steueränderungsgesetz 2015 vom 02.11.2015 (BGBl. I S. 1834) wurden die Regelungen zur Unternehmereigenschaft von juristischen Personen des öffentlichen Rechts grundlegend reformiert. Die Neuregelungen sind am 01.01.2017 in Kraft getreten. Um den Übergang auf die neue Rechtslage zu erleichtern, hat das Bundesfinanzministerium nach Gesprächen mit den Finanzbehörden der Länder am 16.12.2016 ein Anwendungsschreiben (Az. III C 2-S 7107/16/10001) veröffentlicht, das wichtige praktische Fragen rund um den Systemwechsel näher erläutert.

b) Wesentliche Neuerungen

Die neuen Regelungen betreffen alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Das sind insbesondere die Gebietskörperschaften, die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften, die Innungen und Kammern, die staatlichen Hochschulen sowie Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts.

Seit Langem sind diese Institutionen nur dann als umsatzsteuerliche Unternehmer behandelt worden, wenn sie im Rahmen von Betrieben gewerblicher Art bzw. land- und forstwirtschaftlichen Betrieben gewerblich oder beruflich tätig waren (§ 2 Abs. 3 Satz 1 UStG alte Fassung). Daraus folgt, dass bislang insbesondere die Hoheitsbetriebe und die Vermögensverwaltung der öffentlichen Hand von vornherein nicht Teil der unternehmerischen Sphäre einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gewesen sind.

Die relativ eng gefasste Definition des Betriebes gewerblicher Art, die im KStG enthalten und auch für die Umsatzbesteuerung relevant ist, hat in der Praxis dazu geführt, dass die öffentliche Hand in weiten Bereichen ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten wie ein privater Verbraucher behandelt worden ist. Das heißt, dass die Umsatzsteuer für die juristischen Personen des öffentlichen Rechts eine wirtschaftliche Belastung dargestellt hat, aber grundsätzlich bei ihnen keine speziellen steuerlichen Verpflichtungen ausgelöst hat. Diese Systematik ist nunmehr aufgegeben worden, da der bisherige § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG ab 01.01.2017 nicht mehr anwendbar ist.

An die Stelle dieser Vorschrift ist der neu geschaffene § 2b UStG getreten. Dieser schreibt vor, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts den allgemeinen umsatzsteuerlichen Grundsätzen unterworfen werden. Sie werden daher grundsätzlich dann zum Unternehmer, wenn sie gewerbliche oder berufliche Tätigkeiten auf privatrechtlicher Grundlage ausüben. Wenn das geschieht, sind von ihnen Rechnungen an Leistungsempfänger auszustellen, monatliche Umsatzsteuervoranmeldungen an das zuständige Finanzamt elektronisch zu übermitteln und die vereinnahmte Umsatzsteuer abzuführen. Auf der anderen Seite besteht dann für die juristischen Personen des öffentlichen Rechts die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug, der aus den Eingangsleistungen anderer Unternehmer an sie resultiert.

c) Optionserklärung

Dieser weitreichende Systemwechsel wird durch eine Übergangsvorschrift abgemildert. Gemäß § 27 Abs. 22 Satz 3 UStG konnten juristische Personen des öffentlichen Rechts 2016 einmalig gegenüber dem zuständigen Finanzamt erklären, dass sie für sämtliche nach dem 31.12.2016 und vor dem 01.01.2021 ausgeführten Leistungen weiterhin § 2 Abs. 3 UStG alter Fassung anwenden wollen. Soweit bekannt, hat die überwiegende Mehrzahl von juristischen Personen des öffentlichen Rechts eine derartige Optionserklärung abgegeben. Damit wird die Anwendung der neuen Rechtslage in der Praxis um vier Jahre hinausgeschoben und die bisherigen Regelungen können bis auf Weiteres angewendet werden. Spätestens ab 01.01.2021 müssen aber alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts die neue Systematik anwenden.

2. Schlussfolgerungen

a) Chancen und Risiken der neuen Rechtslage

Dadurch, dass zukünftig sämtliche auf privatrechtlicher Grundlage ausgeübten gewerblichen oder beruflichen Tätigkeiten einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (wie z. B. der Betrieb öffentlicher Schwimmbäder oder Parkhäuser) der Umsatzsteuer unterliegen, wird voraussichtlich die Anzahl steuerrelevanter Sachverhalte deutlich ansteigen. Die Betroffenen müssen dann bei jeder einzelnen Leistung prüfen, ob diese umsatzsteuerbar und -pflichtig ist, welcher Steuersatz anzuwenden ist, und bei Vorliegen von Lieferungen oder sonstigen Leistungen hierüber dem Leistungsempfänger eine ordnungsgemäße Rechnung ausstellen. Ferner muss der Vorgang in der Buchhaltung korrekt abgebildet werden. Auf die zu erstellenden Voranmeldungen und die abzuwickelnden Steuerzahlungen ist bereits hingewiesen worden.

Diesem erhöhten Bearbeitungsaufwand steht die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs aus Eingangsleistungen gegenüber, wenn ein anderer Unternehmer Lieferungen oder sonstige Leistungen an das Unternehmen der juristischen Person des öffentlichen Rechts ausführt. Aufgrund der umsatzsteuerlichen Systematik kann sich insbesondere bei größeren Investitionen einer juristischen Person des öffentlichen Rechts ergeben, dass bei ihr aus den eingekauften Vorleistungen ein Vorsteuerüberhang entsteht, der zu Steuererstattungen und damit zu einer verbesserten Liquidität führt. Wird über größere Investitionsprojekte (wie z. B den Neubau eines öffentlich nutzbaren Parkhauses) konkret nachgedacht, könnte eine zeitnahe Anwendung der neuen Rechtslage daher zu finanziellen Vorteilen führen.

b) Handlungsempfehlungen

Die betroffenen juristischen Personen des öffentlichen Rechts sollten daher ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten im Hinblick auf die neue Rechtslage genau untersuchen. Dabei geht es nicht nur um eine über den Status Quo hinausgehende Steuerpflicht von Leistungen, sondern auch um die gegebenenfalls erweiterte Nutzung des Vorsteuerabzugs. Trotz eines zunächst möglicherweise höheren Aufwands durch den Übergang auf die neue Gesetzeslage und die Notwendigkeit der Anpassung organisatorischer und technischer Abläufe, ist es nicht unwahrscheinlich, dass sich durch die Änderung finanzielle Vorteile für die juristischen Personen des öffentlichen Rechts ergeben können.

Sollte im Jahr 2016 bereits eine Optionserklärung abgegeben worden sein, kann diese grundsätzlich mit Wirkung vom Beginn des auf einen Widerruf folgenden Kalenderjahres zurückgezogen werden (§ 27 Abs. 22 Satz 6 UStG). Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, die neue Rechtslage frühzeitig und nicht erst ab 01.01.2021 anzuwenden.

3. Zusammenfassung

Die umsatzsteuerliche Behandlung von privatrechtlich gestalteten wirtschaftlichen Tätigkeiten der juristischen Personen des öffentlichen Rechts ist mit der Abschaffung von § 2 Abs. 3 UStG und der Einführung des neuen § 2b UStG auf eine neue gesetzliche Grundlage gestellt worden. Auch wenn in vielen Fällen durch die Abgabe einer Optionserklärung die zeitliche Anwendung der neuen Vorschriften bis zum 01.01.2021 aufgeschoben worden sein sollte, empfiehlt es sich gleichwohl für die Betroffenen, ihre wirtschaftlichen Aktivitäten möglichst bald zu überprüfen, um eventuelle Vorteile (insbesondere im Zusammenhang mit dem Vorsteuerabzug) frühzeitig für sich nutzbar machen zu können. Wir unterstützen Sie gerne dabei.

Executive Summary

The VAT-related treatment of commercial activities arranged under private law by public authorities has been put on a new legal basis by abolishing section 2, subsection 3 UStG (Value Added Tax Act) as well as establishing the new section 2b UStG. Although, in many cases, the application of the new provisions might be postponed until 1st January 2021 by issuing a declaration of an option, we recommend those affected to revise their activities as soon as possible in order to be able to exploit potential benefits at an early stage (especially in connection with the input VAT deduction).

Frankfurt am Main, den 23.02.2017 – SVO / JHB