Wichtige Entscheidung des BFH zu umsatzsteuerlichen Folgen bei Lieferungen in ein Konsignationslager
1. Allgemeines
Der BFH hat in seinem Urteil vom 20.10.2016 V R 31/15 wichtige Aussagen zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Lieferungen gemacht, die mit Hilfe eines Konsignationslagers abgewickelt werden. Die Nutzung derartiger Lager, aus denen Abnehmer bzw. Kunden entsprechend ihres jeweiligen Bedarfes Waren entnehmen können, ist in zahlreichen Branchen weit verbreitet. Viele Zulieferer der Automobilindustrie bedienen sich der Konsignationslager, gegebenenfalls im Dritt-Ausland.
2. Sachverhalt des Urteils
Ein spanisches Unternehmen lieferte auf der Grundlage von Rahmenverträgen (die den Kaufpreis sowie Zahlungs- und Lieferungsbedingungen bestimmten) Waren in ein von seinem deutschen Abnehmer im Inland betriebenen Konsignationslager. In 95 % der Fälle lag bereits bei Beginn der Lieferung eine verbindliche Bestellung vor. Konkrete Mengen und Lieferdaten ergaben sich aus dem Lieferabruf, der zu einem bindenden Kaufvertrag führte. Das Eigentum an den Waren sowie die Gefahr des zufälligen Untergangs sollten erst zu dem Zeitpunkt und an dem Ort übergehen, der im konkreten Kaufvertrag bestimmt war. Die Lieferabrufe enthielten zumeist die Freigabe für die in den nächsten zwölf Wochen benötigten Waren des Abnehmers.
3. Umsatzsteuerliche Behandlung des Sachverhalts
a) Sicht der Finanzverwaltung
Abschnitt 1a.2 Abs. 6 Satz 1 UStAE bestimmt, dass ein Lieferant, wenn er zunächst Waren in ein Konsignationslager verbringt und der Abnehmer diese Waren aus dem Lager entnimmt, mehrere inländische Steuertatbestände verwirklicht. Zunächst kommt es zu einem fiktiven innergemeinschaftlichen Erwerb im Inland (§§ 1 Abs. 1 Nr. 5, 1a Abs. 2, 3d Satz 1 UStG). Anschließend findet eine steuerpflichtige Lieferung im Inland statt (§ 3 Abs. 7 Satz 1 UStG). Dies wird von der Finanzverwaltung in Abschnitt 3.12 Abs. 3 Satz 7 UStAE damit begründet, dass der Lieferer seinem Abnehmer die Verfügungsmacht an der Ware nicht schon beim Beginn des Transports in das Lager, sondern erst bei der Entnahme aus dem Lager verschafft.
b) Sicht des BFH
Der BFH weicht von dieser Beurteilung der Finanzverwaltung deutlich ab. In seinem neuen Urteil stellt er klar, dass in dem Fall, in dem der Abnehmer einer Lieferung bereits bei der Versendung feststeht und die Versendung zu einem Gelangen des Liefergegenstandes an den Abnehmer führt, die Lieferung dort als ausgeführt gilt, wo die Versendung beginnt (§ 3 Abs. 6 Satz 1 UStG). Im vorliegenden Fall befindet sich daher der Ort der Lieferung in Spanien und nicht in Deutschland. Die Lieferung unterliegt damit in Deutschland nicht der Umsatzsteuer.
Die kurzzeitige Einlagerung in das inländische Konsignationslager (im vorliegenden Fall für zwölf Wochen) stellt für den BFH keine Unterbrechung der Versendung dar. Unschädlich ist für den BFH auch, wenn die Verfügungsmacht über die Lieferung nicht bereits mit Beginn der Versendung an den Abnehmer übergeht, wenn dieser ein vertraglich eingeräumtes, uneingeschränktes Zugriffsrecht auf die eingelagerten Waren hat. Das war im vorliegenden Sachverhalt gegeben.
c) Schlussfolgerungen
Es ist zu hoffen, dass die Finanzverwaltung sich dieser neuen Rechtsprechung des BFH anschließt und die genannten Passagen des UStAE möglichst bald ändert. Das würde in der Praxis Erleichterungen mit sich bringen, weil insbesondere ausländische Unternehmen aus anderen EU-Staaten, die Versendungslieferungen ins Inland vornehmen, danach in Deutschland durch diese Lieferungen keine umsatzsteuerlich relevanten Tatbestände mehr verwirklichen würden. In solchen Fällen könnte dann auch die Verpflichtung zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. Steuererklärungen entfallen.
4. Zusammenfassung
Das Urteil des BFH vom 20.10.2016 V R 31/15 hat weitreichende Bedeutung bei Versendungslieferungen, die über ein inländisches Konsignationslager abgewickelt werden. Der BFH hat sich darin gegen die hierfür einschlägigen Regelungen des UStAE gewendet. Nach seiner Sichtweise kommt es beim Transport in das Konsignationslager nicht zu einer im Inland steuerpflichtigen Lieferung. Es ist zu hoffen, dass die Finanzverwaltung sich dieser neuen Rechtsprechung bald anschließt. Wir beraten Sie gerne bei der praktischen Umsetzung dieser Entscheidung in Ihrem Unternehmen.
Executive Summary
The judgement of the Federal Tax Court is vitally important for dispatch deliveries conducted via a domestic consignment warehouse. The Federal Tax Court opposes the relevant provisions of the UStAE. In its view, the transport to the consignment warehouse does not constitute a delivery which is subject to VAT in Germany. Hopefully, the financial administration will soon join this new jurisdiction.
Frankfurt am Main, den 17.02.2017 – SVO / JHB