Erbschaftsteuerreform in der „Nachspielzeit“
Das Bundesverfassungsgericht hatte mit Urteil vom 17.12.2014 (1 BvL 21/12) entschieden, dass wesentliche Vorschriften des Erbschaftsteuergesetzes gegen das Grundgesetz verstoßen. Zugleich hatte es den Gesetzgeber verpflichtet, bis zum 30.06.2016 eine gesetzliche Neuregelung zu treffen. Ein entsprechender Gesetzentwurf, den der Bundestag Ende Juni 2016 verabschiedet hat, wurde vom Bundesrat am 08.07.2016 abgelehnt. Zugleich hat der Bundesrat den Vermittlungsausschuss angerufen. Dieser wird sich am 08.09.2016 erstmals mit der erneuten Erbschaftsteuerreform befassen.
Vor diesem Hintergrund haben die obersten Finanzbehörden der Länder am 21.06.2016 gleichlautende Erlasse veröffentlicht, wonach das bisherige Recht in vollem Umfang auch für steuerpflichtige Erwerbe bzw. Schenkungen, die nach dem 30.06.2016 stattfinden, anwendbar bleiben soll (BStBl I 2016 S. 646). Die Finanzverwaltung tritt damit zahlreichen Literaturbeiträgen entgegen, wonach zumindest die verfassungswidrigen Vorschriften des Erbschaftsteuergesetzes nach dem 30.06.2016 nicht mehr anzuwenden seien.
Nach einer Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 14.07.2016 will sich der dort zuständige Erste Senat Ende September mit dem weiteren Vorgehen bei der Erbschaftsteuerreform befassen. Laut dieser Mitteilung gelten die verfassungswidrigen Vorschriften des Erbschaftsteuergesetzes fort. Unklar ist, ob diese Aussage in der Pressemitteilung eine Einschätzung der Pressestelle des Gerichts darstellt oder ob sie inhaltlich die Auffassung des Ersten Senates wiedergibt.
Den betroffenen Steuerpflichtigen ist angesichts der vielen Unsicherheiten bezüglich der weiteren Anwendung des Erbschaftsteuergesetzes erforderlichenfalls zu empfehlen, gegen alle Steuerbescheide, die Erwerbe nach dem 30.06.2016 betreffen, Einspruch einzulegen und die jeweilige Veranlagung dadurch bis auf weiteres offen zu halten.
SVO / JHB – Frankfurt, den 05.08.2016