Überlegungen zur Schenkungsteuer
Die derzeit laufende Diskussion zur Neuregelung des Erbschaftsteuergesetzes, die bis zum 30.06.2016 erfolgt sein sollte, lässt in den Hintergrund treten, dass dieses Gesetz Auswirkungen auch für die Vermögensnachfolge unter Lebenden hat: Die steuerlichen Regelungen für die Vermögensnachfolge im Falle der Erbschaft gelten materiell auch für Vermögensübertragungen auf Grundlage von Schenkungen.
Deshalb erscheint es besonders wichtig zu prüfen, welche Möglichkeiten die immer zahlreicher werdenden „reichen Mitglieder der älteren Generation“ haben, um zu einer – ggfs. steuerfreien – Schenkung zu kommen. Deren zivilrechtliche Grundlagen finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (§§ 516 ff. BGB).
1. Gewöhnliche Gelegenheitsgeschenke
Der Schenker kann aus privaten oder familiären Anlässen (Geburtstag, bestandene Prüfung, Hochzeit, Feiertage) übliche Geschenke im Rahmen der Gelegenheit dieses Anlasses machen. Für die Üblichkeit müssen die Vermögensverhältnisse des Schenkers und des Beschenkten in Relation gesetzt werden. Bei der üblichen Gelegenheitsschenkung gibt es keinen Anspruch aller Erbberechtigten (Kinder, Enkel), gleich behandelt zu werden. Das übliche Gelegenheitsgeschenk ist steuerlich ausdrücklich befreit.
2. Zugewinnausgleich unter Lebenden
Wenn Eheleute in einer Zugewinngemeinschaft leben, lässt sich der im Erbfall zu erwartende Zugewinnausgleich bereits unter Lebenden durch eine freiwillige (notarielle) Beendigung der Zugewinngemeinschaft ohne Steuerbelastung herbeiführen. Der Zugewinnausgleich ist Ausdruck der materiellen Teilhabe am Vermögenszuwachs der Eheleute untereinander, aber keine Schenkung.
3. Familiengesellschaften
Vermögende Eltern haben die Möglichkeit, ihre Kinder an eine Partizipation an dem Familienvermögen dadurch heranzuführen, dass sie mit ihnen eine Familiengesellschaft (in der Regel eine GmbH und Co. KG) gründen und diese Gesellschaft mit dem adäquaten Gesellschaftskapital ausstatten. Die Eltern können dabei (ohne schenkungsteuerliche Belastung) ihr Vermögen bei richtiger Ausgestaltung der gesellschaftsrechtlichen Beschlüsse auf die Gesellschaft übertragen, an der die Kinder beteiligt worden sind oder werden.
4. Steuerklassen
Der Gesetzgeber unterscheidet drei Steuerklassen nach dem persönlichen Verhältnis des Erwerbers zum Schenker. Zur Steuerklasse I zählen der Ehegatte und der Lebenspartner, die Kinder und Stiefkinder, deren Abkömmlinge und im Erbfall auch die Eltern und Großeltern des Erblassers. Zur Steuerklasse II zählen die Eltern und Voreltern, die Geschwister und deren Abkömmlinge, die Stiefeltern, die Schwiegerkinder, die Schwiegereltern sowie der geschiedene Ehegatte und der Lebenspartner einer aufgehobenen Lebenspartnerschaft. Zur Steuerklasse III zählen alle übrigen Erwerber.
5. Freibeträge für Schenkungen
Der Gesetzgeber ermöglicht den Vermögensübertrag „zur warmen Hand“, indem er den Beschenkten gegenüber dem Schenker Freibeträge für eine Schenkung einräumt. Diese Freibeträge gelten personenbezogen gegenüber jedem Elternteil, so dass bei einem Freibetrag für Kinder in Höhe von € 400.000 Vater und Mutter je € 400.000 steuerfrei auf das Kind übertragen können.
Eine Übersicht über die aktuellen Freibeträge für Schenkungen zeigt die nachstehende Tabelle.
Freibeträge für Schenkungen
Freibetrag (§16 ErbStG) | |
für Ehepartner (und Lebenspartner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft) | 500.000 € |
für Kinder und Enkelkinder, deren Eltern verstorben sind, sowie für Stief- und Adoptivkinder | 400.000 € |
für Enkelkinder | 200.000 € |
für Eltern und Großeltern beim Erwerb durch Erbschaft | 100.000 € |
für Eltern und Großeltern beim Erwerbe durch Schenkung, für Geschwister, Kinder der Geschwister, Stiefeltern, Schwiegerkinder, Schwiegereltern, geschiedene Ehepartner und Lebenspartner einer aufgehobenen Lebenspartnerschaft | 20.000 € |
für alle anderen Empfänger einer Schenkung | 20.000 € |
Bei dem Freibetrag ist zu beachten, dass dieser in der aufgezeigten Höhe alle Schenkungen für einen Zeitraum von 10 Jahren abdeckt. Wird also z. B. nach dem 5. Jahr eine erneute Schenkung vollzogen, sind bei einem bereits erschöpften Freibetrag die nachfolgenden Schenkungen innerhalb des 10-Jahres-Zeitraums steuerpflichtig. Nach Ablauf von 10 Jahren seit der ersten Schenkung entsteht der Freibetrag neu. Bei Vereinbarung eines Vorbehaltsnießbrauchs zugunsten des Schenkers lassen sich unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles höhere Nominalwerte auf die Beschenkten übertragen, ohne dass es zur Schenkungsteuer kommt.
6. Höhe der Steuerpflicht
Kommt es zu einer steuerpflichtigen Schenkung, so differenziert der Fiskus die Höhe der Steuerlast nach dem Wert des steuerpflichtigen Erwerbs und der Steuerklasse des Beschenkten. Die Steuersätze steigen nach dem Wert des steuerpflichtigen Erwerbs progressiv an. Die nachstehende Tabelle zeigt die Entwicklung der Steuersätze auf Schenkungen je Steuerklasse:
Steuersätze auf Schenkungen
Wert des steuerpflichtigen Erwerbs bis einschließlich | Steuersatz in Steuerklasse | ||
I | II | III | |
75.000 € | 7% | 15% | 30% |
300.000 € | 11% | 20% | 30% |
600.000 € | 15% | 25% | 30% |
6.000.000 € | 19% | 30% | 30% |
13.000.000 € | 23% | 35% | 50% |
26.000.000 € | 27% | 40% | 50% |
über 26.000.000 € | 30% | 43% | 50% |
Aus dem Vorstehenden folgt, dass je weiter der Beschenkte verwandtschaftlich von dem Schenker entfernt ist, umso höher sind der Steuersatz und die steuerliche Belastung des Beschenkten. Bei einer Schenkung an einen entfernten Verwandten oder aber an einen freundschaftlich verbundenen Dritten kann so – bei einem Freibetrag von (nur) € 20.000 je Schenkung innerhalb von 10 Jahren – bei einem Wert der Schenkung in Höhe von € 300.000 bereits eine Steuerpflicht in Höhe von € 84.000 entstehen (€ 300.000 – € 20.000 = € 280.000 x 30 % = € 84.000).
7. Steuerpflicht und Steuerhinterziehung
Der vorgenannte Betrag liegt weit oberhalb der € 50.000-Grenze, bei der der Bundesgerichtshof in der Zwischenzeit bei der Prüfung einer möglichen strafbaren Steuerhinterziehung eine „schwere Tat“ annimmt. Daher ist sorgfältig zu überlegen, ob die zur Steuerpflicht führende Schenkung vom Schenker oder aber dem Beschenkten dem zuständigen Finanzamt zur Kenntnis gebracht werden soll.
Die Kenntnis des Finanzamtes von der Schenkung hat maßgebliche Bedeutung für die Verjährung der Schenkungsteuer: Hat das Finanzamt von der Schenkung keine Kenntnis, beginnt die Verjährung nicht zu laufen. Diese beträgt ab Vollzug der Schenkung und der Kenntnis des Finanzamtes 4 Jahre, wobei diese 4-Jahresfrist im Fall des späteren Tods des Schenkers frühestens im Zeitpunkt dessen Todes beginnt. In der Praxis ist – leider – zu beobachten, dass sich gerade vermögende Schenker auf diese letztere „Alternative“ verlassen – und die Schenkung von Vermögen, das im Ausland schenkweise übertragen wird, zu einer strafbaren Schenkungsteuerhinterziehung im Inland führt.
8. Schenkung und Pflichtteilsergänzungsanspruch der Kinder
Insbesondere bei Schenkungen an Dritte – auch solchen, die eben nicht der Schenkungsteuer unterworfen worden sind – spielt auch der Pflichtteilsergänzungsanspruch der Kinder, eventuell auch derjenige der Enkel und Ehepartner eine Rolle. Tritt innerhalb von 10 Jahren nach der Schenkung der Tod des Schenkers ein, entsteht zugunsten der durch die Schenkung vermögensmäßig tangierten Pflichtteilsberechtigten ein Pflichtteilsergänzungsanspruch (dieser sinkt um jeweils 10 % pro Jahr nach der Schenkung).
Jeweils zu beachten ist, dass nur der Ehegatte, die Kinder und bei verstorbenen Kindern deren Kinder sowie Eltern, wenn ihr Kind kinderlos verstorben ist, einen Pflichtteilsanspruch haben. Alle anderen Verwandten, insbesondere Geschwister, können vollständig vom Erbe ausgeschlossen werden. Dies kann von Todeswegen durch ein Testament, zu Lebzeiten eben auch durch eine Schenkung an andere Personen erfolgen.
9. Wirkung der Schenkung
Geldgeschenke bedürfen der Schriftform. Aber mit dem Erhalt des Geldes auf dem Bankkonto des Beschenkten oder dem Erhalt des Bargeldes (z. B. im Briefumschlag) ist die Schenkung wirksam vollzogen und der Mangel der Schriftform geheilt.
Bei größeren Schenkungen, insbesondere solchen über Anteile an Grundbesitz (Immobilien), Anteile an Kapital- oder Personengesellschaften oder der Schenkung sonstigen Betriebsvermögens, sollte es so sein, dass die Schenkung schriftlich (bei Grundbesitz und Anteilen an einer GmbH zwingend notarielle Beurkundung erforderlich) zwischen dem Schenker und dem Beschenkten vereinbart wird. Eine solche Regelung bietet dem Schenker die Möglichkeit, die Schenkungen mit Bedingungen oder Einschränkungen zu versehen. Bei dem Übertrag eines selbstbewohnten Hauses auf das oder die Kinder bietet sich insoweit die Absicherung eines Wohnrechts oder aber möglicherweise sogar die Einräumung eines (Vorbehalts-) Nießbrauchs an. In solchen Fällen ist es so, dass durch die einschränkenden Regelungen auch Einfluss auf den schenkungsteuerlich zu berücksichtigenden Wert genommen werden kann: Dieser sinkt, je mehr Rechte sich der Schenker an dem übertragenen Vermögensgegenstand zurückbehält.
10. Stiftungen
Fehlt es an der Möglichkeit, entsprechende Schenkungen (Übertragungen von größerem Vermögen im Familien-, Verwandten- oder sonstigen Freundeskreis) vorzunehmen, kann es sinnvoll sein, die Gründung einer gemeinnützigen Stiftung zu prüfen. Die Übertragung von Vermögen auf eine gemeinnützige Stiftung unterliegt nicht der Schenkungsteuer. Sie kann stattdessen ggfs. einkommenssteuermindernd dem Schenker selbst zugute kommen.
Die Durchführung einer Schenkung sollte von den rechtlichen und steuerrechtlichen Rahmenbedingungen her gut überlegt sein. Das „familienpolitische“ Ziel der Schenkung steht immer im Vordergrund. Von einer „spontanen“ Schenkung ist ohne die Prüfung der rechtlichen und steuerrechtlichen Auswirkungen abzuraten. Im Hinblick auf die sehr niedrigen Freibeträge für Schenkungen an Dritte ist vor der Schenkung im Einzelfall die dann eintretende Steuerpflicht mit in die Überlegung einzubeziehen. Hierbei ist zu beachten, dass die Freibeträge auch niedriger sind bei Schenkungen von Kindern an ihre Eltern, von Geschwistern untereinander, an die Schwiegereltern und an die Schwiegerkinder.
Bei der Vorbereitung und Durchführung einer Schenkung sind wir gerne bereit, Sie beratend zu unterstützen.
Frankfurt am Main, den 08.08.2016 – JHB / MLS