Umsatzsteuer auf Bauleistungen – Alle Unklarheiten beseitigt?
1. Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers
Die zur Sicherung des Umsatzsteueraufkommens durch § 13 b UStG ab 01.01.2002 eingeführte Verlagerung der Steuerschuldnerschaft vom leistenden Unternehmer auf den Leistungsempfänger (sog. Reverse-Charge-Verfahren) ist in den vergangenen Jahren in großem Umfang erweitert worden. Im Grundsatz schreibt § 13 b UStG vor, dass entgegen der üblichen umsatzsteuerlichen Abwicklung (der Leistende stellt dem Leistungsempfänger einen Nettobetrag zuzüglich Umsatzsteuer in Rechnung und überweist anschließend die Umsatzsteuer an die Finanzbehörde, während der Leistungsempfänger die ihm gegenüber abgerechnete Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen darf) alleine der Leistungsempfänger für die Begleichung der Umsatzsteuerschuld und des Vorsteuerabzuges verantwortlich ist.
Insbesondere im Bereich der Immobilien- und Bauwirtschaft stellen sich hierbei häufig komplizierte Detailfragen, die die Rechtsprechung und die Finanzverwaltung immer wieder aufs Neue herausfordern. Das zeigt sich auch an einem neueren BFH-Urteil vom August 2014 und der nunmehr erfolgten Reaktion der Finanzverwaltung auf dieses Urteil.
2. BFH-Urteil V R 7/14 vom 28.08.2014 (Der Betrieb 2014, Seite 2632)
Mit diesem Urteil ist ein Fall entschieden worden, in dem eine im Anlagenbau tätige KG eine aus 18 Einzelbauteilen bestehende Entrauchungsanlage für industrielle Großfeuerungsanlagen entwickelte und diese mit Hilfe von zwei Fremdunternehmen in die Produktionshallen eines Kunden eingebaut hatte. Die Fremdunternehmen haben danach gegenüber der KG mit gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer abgerechnet. Die KG hat hieraus den Vorsteuerabzug in Anspruch genommen. Nach einer Umsatzsteuersonderprüfung hat das Finanzamt die Auffassung vertreten, dass die KG im Hinblick auf die Leistungen der Fremdunternehmen als Steuerschuldner nach § 13 b Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 UStG (in der Fassung von 2009) anzusehen sei, weil es sich hierbei um Bauleistungen handele und hat die entsprechenden Umsatzsteuerfestsetzungen geändert. Hiergegen hat die KG Klage vor dem FG erhoben, der stattgegeben worden ist. Die daraufhin eingelegte Revision des Finanzamtes hat der BFH verworfen.
Für den BFH stellt der Einbau der Entrauchungsanlage keine Werklieferung oder sonstige Leistung dar, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung eines Bauwerks dient. Das hat zur Folge, dass das Reverse-Charge-Verfahren hierbei nicht zur Anwendung kommt. Unter Heranziehung der unionsrechtlichen Auslegung des Begriffs „Bauwerk“ kommt der BFH zum Ergebnis, dass die Entrauchungsanlage eine sog. „Betriebsvorrichtung“ und kein Bauwerk handelt. Das wird damit begründet, dass die Anlage gegenüber dem Bauwerk einem eigenen Zweck dient. Sie hat keine Funktion für das Bauwerk und sie ist lediglich im Bauwerk untergebracht. Das von der Finanzverwaltung vorgebrachten Argument, der Bauwerksbegriff sei entsprechend der zur Durchführung des Sozialgesetzbuchs III erlassenen Baubetriebsverordnung auch bei der Auslegung von § 13 b UStG heranzuziehen, lehnt der BFH ausdrücklich ab.
3. BMF-Schreiben vom 28.07.2015 – III C 3 – S 7279/14/10003 (Der Betrieb 2015, Seite 1811)
Nach Besprechungen der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder haben sich diese entschieden, einen Nichtanwendungserlass zum o.g. BFH-Urteil vom 28.08.2014 herauszugeben. Damit soll dieses Urteil über den damit entschiedenen Einzelfall hinaus nicht angewendet werden.
Das BMF-Schreiben stellt fest, dass die Aussage des BFH, wonach Betriebsvorrichtungen nicht zu den Bauwerken im Sinne von § 13 b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG gehören, unzutreffend sei. Unter Rückgriff auf unionsrechtliche Vorschriften (insbesondere Artikel 199 Abs. 1 Buchstabe A Mehrwertsteuersystemrichtlinie, Artikel 13 b Mehrwertsteuerverordnung) kommt das BMF-Schreiben zu dem Schluss, dass Betriebsvorrichtungen nur dann nicht als Bauwerk anzusehen sind (und damit das Reverse-Charge-Verfahren nicht anwendbar wäre), wenn sie nicht auf Dauer installiert sind oder bewegt werden können, ohne dass das Gebäude oder das Bauwerk zerstört oder verändert wird. Ferner weist das BMF-Schreiben darauf hin, dass die Anwendung des BFH-Urteils in der Praxis erhebliche Probleme mit sich bringen würde, da der leistende Unternehmer häufig nicht erkennen könne, ob die von ihm eingebaute Anlage eigenen Zwecken diene oder ob sie für die Konstruktion, den Bestand, die Erhaltung oder Benutzbarkeit des Bauwerks von wesentlicher Bedeutung sei. Das BMF-Schreiben will also im Ergebnis eine möglichst umfassende Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens sicherstellen.
4. Folgen für die Praxis
Auch wenn die Begründung des BMF-Schreibens nicht durchgehend überzeugt (so ist die dort zitierte Mehrwertsteuerverordnung erst ab 01.01.2017 anzuwenden), muss die Praxis sich auf die Sichtweise der Finanzverwaltung einstellen. Das bedeutet, dass nicht erst bei der Abrechnung entsprechender Bauvorhaben die Frage nach der Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens im Sinne von § 13 b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG zu beantworten ist, sondern bereits beim Vertragsschluss zwischen Leistendem und Leistungsempfänger besprochen werden muss. In Zweifelsfällen kann es sich empfehlen, neben qualifizierter rechtlicher bzw. steuerlicher Beratung auch den Kontakt zur zuständigen Finanzbehörde aufzunehmen, um von vornherein eine umsatzsteuerliche Behandlung entsprechender Geschäftsvorfälle zu erreichen, die nachfolgend von der Finanzverwaltung anerkannt wird. So lassen sich insbesondere Haftungsrisiken für Leistungsempfänger, die nachträglich zum Steuerschuldner werden, frühzeitig vermeiden. Wir unterstützten Sie gerne bei der Lösung derartiger Problemstellungen.
SVO / JHB – Frankfurt, den 14.09.2015