Umsetzung von weitreichenden Änderungen bei der Betriebsstättenbesteuerung

Umsetzung von weitreichenden Änderungen bei der Betriebsstättenbesteuerung

Seit einigen Jahren bemüht sich die deutsche Finanzverwaltung, die grenzüberschreitende Gewinnabgrenzung zwischen einer Betriebsstätte und dem deutschen (oder ausländischen) Stammhaus klar zu strukturieren. Dieses Ziel soll insbesondere durch die Umsetzung des sogenannten „Authorized OECD Approach“ (AOA) im deutschen Steuerrecht erreicht werden. Nach entsprechenden Gesetzesänderungen von § 1 AStG im Jahr 2013 und der auf 2014 erlassenen Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (BsGaV) hat das Bundesfinanzministerium (BMF) am 18.03.2016 den Entwurf der Verwaltungsgrundsätze Betriebsstättengewinnaufteilung (VwG BsGa) veröffentlicht. Ziel der Regelungen soll sein, eine Betriebstättentätigkeit ais steuerlicher Sicht so abzubilden/zu erfassen, als wenn diese Tätigkeit durch eine rechtliche selbständige Tochtergesellschaft erfolgt sei.

Der neue Entwurf ist mit über 150 Seiten Text sehr umfangreich ausgefallen, was wohl auch damit zusammenhängt, dass weder die Änderungen in § 1 AStG noch die BsGaV die für eine zutreffende grenzüberschreitende Gewinnabgrenzung notwendige Klarheit im Detail bieten können. Im Folgenden sind nur knappe Hinweise auf einige wesentliche Gesichtspunkte des neuen BMF-Schreibens möglich, die zeigen, dass es für die Praxis auch zukünftig zahlreiche Unklarheiten gibt.

1. Anwendbarkeit der Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze von 1999

Schon 1999 hat das BMF versucht, die vielen offenen Fragen rund um die Betriebsstättenbesteuerung in einem ausführlichen Schreiben, den Betriebsstätten- Verwaltungsgrundsätzen, zu klären. Angesichts der neuen VwG BsGa hätte es im Sinne einer möglichst einfachen Handhabung in der Praxis nahegelegen, dieses Schreiben inhaltlich dort zu integrieren und es anschließend aufzuheben. Dazu ist es leider nicht gekommen.

Vielmehr muss der Steuerpflichtige zukünftig beide Erlasse parallel beachten: Die VwG BsGa legen fest, dass das Schreiben von 1999 in den Fällen anwendbar bleibt, in denen weder § 1 Abs. 5 AStG noch die BsGaV greifen, z. B. weil deren Anwendung zu keiner höheren Bemessungsgrundlage in Deutschland führen würde.

Unklar ist dabei, ob der Steuerpflichtige dabei eine Veranlagungssimulation durchführen muss, um sich Klarheit darüber zu verschaffen, welche Regeln er im Einzelnen anzuwenden hat. Darüber hinaus soll das Schreiben von 1999 anwendbar bleiben, wenn es um die Frage geht, wann nach deutschem Rechtsverständnis überhaupt eine Betriebsstätte vorliegt.

2. Besondere steuerliche Ergebnisrechnung für Betriebsstätten

Die VwG BsGa legen fest, dass es zukünftig (losgelöst von der handelsrechtlichen, nationalen oder internationalen Bilanzierung) ein eigenes steuerliches Rechenwerk für die Ergebnisbestimmung in- und ausländischer Betriebsstätten geben soll. Diese Aufstellung wird als Hilfs- und Nebenrechnung bezeichnet und ist spätestens mit der jährlichen Steuererklärung zu erstellen bzw. abzugeben.

Das BMF schreibt vor, dass für jede Betriebsstätte eine eigene Hilfs- und Nebenrechnung zu führen ist und es nur ausnahmsweise erlaubt sein soll, bei mehreren Betriebsstätten in einem Land eine zusammengefasste Rechnung abzugeben. Zur äußeren Form macht das BMF keine konkreten Vorgaben. Es schreibt nur vor, dass die Hilfs- und Nebenrechnung die der Betriebsstätte zugeordneten Vermögenswerte (inklusive selbstgeschaffener immaterieller Werte, die sonst steuerlich nicht angesetzt werden dürfen), das Dotationskapital, sonstige Passiva sowie die fiktiven Betriebseinnahmen- bzw. Betriebsausgaben, die sich aus den sogenannten anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen ergeben, umfassen soll. Wenn z. B. das Stammhaus Dienstleistungen für die Betriebsstätte erbringt, resultieren daraus für die Betriebsstätte fiktive Betriebsausgaben, denen auf der Seite des Stammhauses fiktive Betriebseinnahmen gegenüberstehen, die dann beim Stammhaus steuerpflichtig sind. Diese neuen Anforderungen dürften in der betrieblichen Praxis für viele Anwender schwierig zu erfüllen sein.

3. Bestimmung des Dotationskapitals

Wer vermutet hat, dass die Methodik zur Bestimmung des Dotationskapitals unabhängig davon sein sollte, ob es um die inländische Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens oder um die ausländische Betriebsstätte eines deutschen Unternehmens geht, sieht sich nach der Lektüre der VwG BsGa getäuscht. Das BMF legt vielmehr fest, dass inländische Betriebsstätten ein tendenziell höheres Dotationskapital aufweisen sollen als ausländische Betriebsstätten.

Grundlage dafür ist die nur im Inlandsfall anzuwendende Kapitalaufteilungsmethode, wonach für die Betriebsstätte eine spezielle Kapitalquote errechnet werden muss, die dann auf das Eigenkapital des Stammhauses angewendet wird. Im Auslandsfall schreibt das BMF hingegen die Mindestkapitalausstattungsmethode vor, wobei das betreffende Unternehmen nachweisen muss, dass seine Kapitalverteilung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte tatsächlich notwendig ist.

Dieses Auseinanderfallen von Inlands- und Auslandsfall dürfte zu zahlreichen Konflikten der betroffenen Unternehmen mit den unterschiedlichen beteiligten Finanzbehörden führen.

4. Internationale Anerkennung des AOA

Ungeachtet der Tatsache, dass einige OECD-Staaten wie z. B. Griechenland, die Türkei oder Mexiko den AOA ablehnen, verlangen die VwG BsGa, dass deutsche Steuerpflichtige trotzdem den AOA für diese Länder anwenden. Kommt es dadurch zu Konflikten mit den ausländischen Finanzbehörden, soll der Steuerpflichtige für den jeweils betroffenen Staat ein Verständigungsverfahren beantragen. Angesichts der langen Dauer dieser Verfahren (häufig ziehen sie sich über mehrere Jahre hin) ist diese Vorgabe der Finanzverwaltung für die Praxis wenig hilfreich.

Ein Abweichen vom AOA ist nur erlaubt im Verhältnis zu Ländern, die der OECD nicht angehören (wie z. B. China oder Indien). Dann soll die Betriebsstättengewinnermittlung in Deutschland auf der Grundlage des BMF-Schreibens von 1999 erfolgen. Zugleich soll der Steuerpflichtige sämtliche Unterlagen, die er bei der ausländischen Behörde eingereicht hat, auch der deutschen Finanzverwaltung vorlegen. Das dürfte zu einem im Vergleich zum gegenwärtigen Verfahren erheblichen bürokratischen Mehraufwand führen. Ob sich eine derartige Verfahrensweise in der Praxis bewährt, darf bereits heute bezweifelt werden.

5. Zusammenfassung

Die schlaglichtartigen Anmerkungen zu ausgewählten Problembereichen der neuen VwG BsGa zeigen, dass daraus für die betroffenden Unternehmen im Bereich des steuerlichen Rechnungswesens ein erheblicher Handlungsbedarf entsteht. Da internationale Geschäftsbeziehungen von Öffentlichkeit und Finanzverwaltung besonders kritisch gesehen werden und die Rechtsprechung den Tatbestand der Steuerhinterziehung immer weiter ausdehnt, ist eine gründliche und unternehmensspezifische Umsetzung der neuen Regelungen zur Betriebsstättengewinnermittlung dringend zu empfehlen. Wir unterstützen Sie gerne dabei.

SVO / JHB – Frankfurt, den 19.04.2016